Verhandelnd das Spiel gestalten – und gewinnen

Montagmorgen, 8:30 Uhr.
Nina, seit einem Jahr Chief Transformation Officer (CTO) beim mittelständischen Maschinenhersteller Knauf, ist nervös. Der Transformationsprozess, für den sie verantwortlich ist, läuft nicht richtig an. Scharfsichtig hat sie erkannt, dass er von der Geschäftsleitung nur halbherzig unterstützt wird: zu wenig Budget, zu wenig Kapazitäten dafür, zu wenig Unterstützung aus den Fachbereichen. Das soll sich nun ändern. Nina hat heute eine Budgetverhandlung mit der Geschäftsleitung. Sie betritt den Konferenzraum. Ihr gegenüber sitzen der Leiter Finanzen & Controlling (CFO), der Leiter Technik (COO) und der CEO sowie 3 weitere Mitglieder der Geschäftsleitung. Sie versucht, sich Mut zuzusprechen. Jahrelang war sie die Assistentin des CEO. Er war ihr immer wohlgesonnen.
Scheitern trotz guter Argumente: Wenn die Geschäftsführung Transformation blockiert
Eigentlich ist sie perfekt vorbereitet. Über Wochen hat sie sich ihre Argumente zurecht gelegt, sich sogar eine rudimentäre Strategie gebastelt. Betrachtet man ihre offensichtlichen Argumente, kann man ihr eigentlich nur Recht geben. Es braucht deutlich mehr Geld, damit die Transformation auch gelingt.
Doch es kommt anders. Schon nach wenigen Minuten wird klar: Die Herren sind nicht bereit, ihr auch nur einen Millimeter entgegenzukommen. Ninas Argumente, ihre Forderungen prallen ab wie Tennisbälle an einer Gummiwand. „Sie bekommen das mit den Mitteln hin, die wir haben, oder Sie bekommen es nicht hin“, sagt der CFO. „Wenn es bei jeder Schwierigkeit gleich eine Ausnahme vom Sparzwang gäbe, wären wir schon längst insolvent“, sagt der COO. Und der CEO, ihr Ex-Chef, schweigt und starrt vor sich hin. Das gibt Nina den Rest. Der Boden weicht unter ihren Füßen. Ihr Puls beschleunigt sich, ihre Stimme wird dünn. Wieder und wieder bringt sie ihre Argumente ein, die doch so offensichtlich sein sollten! Was läuft hier eigentlich verkehrt? „Können wir mit Ihnen rechnen – mit dem bisherigen Budget – ja oder nein?“, fragt sie schließlich ihr CEO und schaut ihr zum ersten Mal direkt in die Augen. Plötzlich steht die drohende Entbindung von ihrer neuen Führungsposition im Raum. Mühsam kämpft Nina die Tränen zurück. Schließlich nickt sie kleinlaut. Jetzt bloß nicht beleidigt wirken, sagt sie sich, und versucht, souverän zu lächeln.
Nina hat keines ihrer Ziele erreicht. Alles bleibt beim Alten. Die Transformation kann so nicht gelingen.
Wie konnte es dazu kommen? Middle Manager wissen ein Lied von ähnlich verlaufenen Verhandlungen mit der Geschäftsführung zu singen. Neue Geschäftsideen, eine entschiedene Umsetzung der Transformation, Zukunftsideen? Mit ihren Ideen scheinen die Middle Manager nur den Status quo zu “stören“. Am Ende steht ein „Basta!“ und alles bleibt beim Alten.
Verhandeln wie eine Führungskraft: Warum Interpretation der Schlüssel zum Erfolg ist
Um in solchen Situationen erfolgreich zu sein, braucht es weit mehr als eine gute PPT-Präsentation und die sorgfältige Aufbereitung guter Argumente. Es braucht Interpretation. Denn die Verhandlung ist nur ein kleiner Teil eines mehrstufigen Prozesses. Es braucht das Verständnis der persönlichen und fachlichen Motive der Personen am anderen Ende des Verhandlungstischs.
Nina gibt nicht auf. Sie analysiert ihre Fehler und befasst sich mit einer neuen Perspektive auf ihre Verhandlungsstrategie. Und sie begreift, dass Verhandlungsgeschick ein zentrales Führungsinstrument für sie werden muss. Und wie sie es trainieren und ausbauen kann.
Typische Fehler in der Verhandlungsführung
Am Anfang jedes Lernprozesses steht die Fehleranalyse. Ein auf Verhandlungstechnik spezialisierter Coach öffnet Nina die Augen dafür, was sie falsch gemacht hat – so wie viele mittlere Führungskräfte.
Fehler 1: Fehlende Verhandlungsstrategie
Nina hatte Daten gesammelt, die ihre Argumentation stützen, und ging ansonsten davon aus, dass alle ihre Idee, wie die Transformation beschleunigt werden kann, mittragen. Sie war so überzeugt davon, dass sie sich um viele Eventualitäten keinerlei Gedanken machte. Dazu müsste sie zunächst wissen: Gibt es überhaupt Spielraum für ein erweitertes Budget? Und woher könnte dieser kommen?
Ferner setzte sie sich vorab keine Prioritäten zu ihren Zielen und zog keine roten Linien, hinter die sie nicht zurückweichen würde. Sie fragte sich nicht, wo sie eventuell zu Zugeständnissen bereit wäre. Welche Alternativen sie der Geschäftsleitung anbieten könnte, falls diese nicht mitzieht. Dazu hätte auch gehört, sich zu überlegen, welche Vorteile sich aus Sicht des CFO, des COO und des CEO aus Ninas Vorschlägen ergäben: Wie könnten sie davon profitieren? Auf Einwände und Gegenargumente fiel ihr häufig keine neue, sachbegründete Entgegnung ein. Eine umfassende Strategie hätte ihr in dieser Hinsicht geholfen.
Lektion: Verhandlungen beginnen nicht am Tisch, sondern lange vorher – mit Zielen, Szenarien und klaren Leitlinien. Vor jeder Verhandlung sollte folgendes schriftlich festgehalten werden:
- Minimalziel
- Idealvorstellung,
- Was sind die Interessen der Anderen?
- Mögliche Einwände mit schlüssigen Erwiderungen
Eine Verhandlung lässt sich auch mit Sparringspartnern oder einem professionellen Coach simulieren und einüben, etwa in einer Business Aufstellung. Darin offenbaren sich oft Hintergrundfaktoren wie das „implizite Wissen“ im Unternehmen, Machtstrukturen, Stärken und Schwächen, die den Verlauf der Verhandlung eventuell mehr beeinflussen als sachliche Argumente. Wenn möglich, sollte man bei einer wichtigen Verhandlung, die eine Konfrontation der Chefetage sein könnte, mindestens einem „Verbündeten“ dabei haben.
Fehler 2: Emotionen nicht im Griff
Während der Verhandlung spürte Nina ihre Unsicherheit wachsen. Unwillkürlich war sie wieder in ihre alte Rolle der GF-Assistentin gerutscht. Doch früher war sie vor Angriffen des CFO oder des COO immer durch ihren CEO geschützt worden. Sein jetziges Verhalten kam ihr daher wie ein Verrat vor. Das raubte ihr ihre Selbstsicherheit. Erst wankte ihre Stimme, dann ihre Position. Ihre guten Argumente wurden immer leiser und kraftloser.
Lektion: Emotionale Selbstkontrolle und Souveränität sind in jeder Verhandlung entscheidend. Wer seine Emotionen kennt und bewusst steuern kann, bleibt souverän. Auch sollte man seine blinden Flecken und verwundbaren Stellen kennen und schützen können. Emotionale Kompetenz kann eingeübt werden. Manchmal hilft auch ein Trick: Wenn Sie merken, dass Emotionen hochkochen, fordern Sie eine kurze Pause (etwa: „Lassen Sie uns kurz innehalten, um die bisherigen Punkte zusammenzufassen.“ Oder ähnlich). Ordnen Sie Ihre Gedanken neu und beruhigen Sie sich. Auch ein Abbruch mit Vertagung kann helfen, sollte aber nicht hilflos wirken und im beiderseitigen Interesse sein.
Fehler 3: Positionen vertreten statt Interessen klären
Nina hatte sich auf ihre Forderung versteift: mehr Budget und Unterstützung. Doch sie fragte nicht, was die Geschäftsleitung als Gremium und die einzelnen Mitglieder eigentlich brauchen. Sie erwog gar nicht, dass hinter mancher Ablehnung eventuell der Schutz von Zielen und Vorhaben der anderen Beteiligten steckte. Dabei wusste Nina z.B., dass CFO und COO kurz vor dem Ruhestand standen und keine neue Baustelle aufmachen wollten. Ebenso hätte sie das Wissen, dass das Gremium vor Jahren strategische Fehlentscheidungen zum Produktportfolio getroffen hatte, die diskret korrigiert werden mussten, für ihr Vorhaben nutzen können.
Lektion: Erfolgreiche Verhandler wissen: Hinter jeder Position stehen tiefere Interessen. Wer diese erkennt, kann wirksame Lösungen anbieten. Es schadet nicht, vorab in die Verhandlungsrunde zu fragen: „Welche Ziele möchten wir und möchten Sie mit dieser Entscheidung erreichen?“ „Was ist Ihnen besonders wichtig?“ „Welche Bedenken müssten wir ausräumen, damit Sie zustimmen können?“ Dabei spielt natürlich das Wissen um die persönlichen, nicht ausgesprochenen Interessen der Verhandlungspartner eine große Rolle. So hätte sich Nina neue Handlungsräume öffnen können.
Verhandlungsstärke für Führungskräfte: 4 Schritte, um Machtasymmetrien zu durchbrechen
Nina ließ sich coachen und geht mit ihrer neuen Strategie in die nächste Verhandlungsrunde. Dabei kommt ihr folgendes zugute:
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1. Training
Ninas Coach ist auf Verhandlungen in ungleichen Machtverhältnissen spezialisiert, mit dem Konzept „Verhandeln Beyond Harvard“. Es eignet sich auch für Verhandlungen zwischen mittelständischen Lieferanten und deren Konzernkunden, eine in Maschinenbau und Automobilindustrie häufige Konstellation. Die Prinzipien lauten:
- Mensch und Sache klar voneinander trennen – ohne die Beziehung unnötig zu beschädigen
- Sich wie David gezielt auf den Kampf mit Goliath vorbereiten
- Schmerzgrenzen und Ausstiegszenarien (ZOPA – Zone of possible Aggreement) im Vorfeld definieren
- Taktische Pausen gezielt inszenieren und üben
- Sich nicht provozieren lassen, Manipulationen, Nebelkerzen und Eskalationen souverän kontern
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2. Ziele, Zahlen und Interessen kennen
Neben der Klarheit über die eigenen Ziele sind Zahlenfestigkeit und Hintergrundwissen entscheidend. Zahlen, Daten und Fakten müssen im Dienste der eigenen Ziele einsatzfertig parat sein: Preise, Trends, Margen, Wettbewerberverhalten oder Branchenentwicklungen.
Leistungsdaten und KPIs wie z.B. die Entwicklung des Deckungsbeitrags einzelner Produktgruppen in den Märkten, Kunden-Feedbacks, Qualität der gelieferten Leistungen oder auch Imageschäden können die eigenen Argumente und Antworten auf Vorbehalte stützen.
LinkedIn und andere Businessnetzwerke, Presseberichte und eigene Kontakte können viel über die Personen am anderen Ende des Verhandlungstischs und deren Unterstützer in den Fachbereichen (interne Netzwerke) preisgeben. Dies gilt es geschickt zu nutzen.
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3. Nachbereitung
Nach der Verhandlung ist vor der Verhandlung. Daher müssen Verhandlungen systematisch nachbereitet werden.
- Auf der Sachebene: Wurden die Ziele erreicht?
- Auf der Beziehungsebene: Wie verlief die Interaktion? Durch was wurde die Beziehung gestärkt? Wo muss ggf. im Nachhinein eine kleine Entschuldigung oder Wiedergutmachung erfolgen, wenn man es in der Verhandlung übertrieben hat.
- Sie können jeden Kontakt als Investition in künftige Beziehungen sehen.
- Halten Sie Vereinbarungen schriftlich fest! Mündliche Zusagen ohne Dokumentation werden gerne „vergessen“ oder man hat unterschiedliche Erinnerungen. Nina als ehemalige Assistentin des GFs weiß genau, was dokumentiert werden muss.
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4. Verhandlungsmacht verstehen und nutzen
Führungskräfte im Mittleren Management glauben in Verhandlungen mit der Geschäftsleitung oft, die Anderen haben mehr Macht. Dieser Eindruck relativiert sich, wenn man auch die Zwänge, Ängste und inneren Konflikte des Gegenübers kennt. So vertrat Nina als CTO eigentlich die Zukunft des Unternehmens, fiel aber durch Verunsicherung zurück in die Assistentinnenrolle und ließ sich einschüchtern. Doch in Wahrheit standen die Menschen ihr gegenüber ebenfalls unter dem Druck von Zielkonflikten, Reputationsrisiken, internen Abstimmungsproblemen. Die galt es zu nutzen. Denn Macht in einer Verhandlung ist selten ein objektiver Fakt. Sie ist eine Frage der Wahrnehmung. Wer sich klein macht, verhandelt klein. Wer innerlich klar ist, tritt anders auf. Souveränität entsteht nicht durch äußere Umstände, sondern durch innere Haltung. Erst als Nina aufhörte, sich selbst in die schwächere Rolle zu denken, begann sie, Ihre Verhandlungsposition bewusst zu gestalten und nicht mehr nur zu reagieren.
Führen durch Verhandeln
Ein paar Wochen später steht Ninas nächste große Verhandlung an: über den Masterplan zur Umsetzung des Transformations-Projektes. Nina ist besser vorbereitet: Sie hat sich klare Ziele gesteckt, Antworten auf mögliche Einwände überlegt und eingeübt und lenkt das Gespräch strategisch. Im Notfall wird sie auf eines der eingeübten Ausstiegsszenarien zurückgreifen.
Diesmal fällt sie nicht sofort mit der Tür ins Haus – und beginnt mit der Frage: „Was ist Ihnen persönlich beim Transformationsprojekt in diesem Jahr wichtig? Wenn es nur um Sie und Ihre Interessen ginge, worauf müsste ich besonders achten?“ Die Antworten überraschen sie. Es geht weniger um die fachlichen Themen als um die persönlichen Bedenken, Unsicherheiten und Befürchtungen, dass das Projekt zu anspruchsvoll ist, der Zeitplan zu ambitioniert und die Belastungen für die Organisation zu groß werden.
Mit ihrem Coach hat sie quasi einen „Telefon-Joker“ vereinbart. Während einer von ihr anberaumten Gesprächspause kann er sie beraten. Nina greift die Impulse auf und schlägt Lösungen vor, die die Interessen der Geschäftsleitung stärker berücksichtigen, ohne ihre eigenen Ziele aufzugeben. Das Gespräch endet mit einem Fortschritt. Nina verlässt den Raum mit dem Gefühl, etwas bewegt zu haben.
Echte Führungsqualität
Nina hat bei ihrem Weg eine wertvolle Lektion gelernt: Verhandeln ist ein wichtiges Führungsinstrument. Viele Führungskräfte scheitern in Verhandlungen, weil sie glauben, es gehe um Dominanz, Härte und Durchsetzungsvermögen. Doch Verhandeln ist eine zentrale Führungskompetenz. Es geht dabei weniger um Sieg oder Niederlage, sondern um das Finden nachhaltiger Lösungen mit allen Beteiligten. Eine erfolgreiche Verhandlung ist mehr als der Austausch von Argumenten oder der plumpe Einsatz von Macht. Durch gutes Verhandeln stärken Führungskräfte ihre Beziehungen. Sie schaffen Klarheit und bauen Vertrauen auf. Wer diese Fähigkeit beherrscht, führt nicht nur Verhandlungen souverän, sondern setzt auch wertvolle Impulse zur Weiterentwicklung der Führungs- und Leistungskultur im Unternehmen.
Führen in der Rolle des Lernenden
Ferdinand Porsche sagte einmal: „Unsere Autos sind nicht für die Straße, sondern für das Rennen gebaut“. Ähnlich sind Verhandlungen für Middle Manager die Ausnahmesituation unter Extrembedingungen. Mit jeder Verhandlung entwickeln Sie sich weiter. Es gibt keine perfekte Verhandlung, keine fehlerfreie Strategie. Doch jede Erfahrung, jeder Fehler und jedes kleine Erfolgserlebnis stärken einen Middle Manager.
Gehen Sie Ihre nächste Präsentation im Top Management mit einer neuen Haltung an: als Lernender, nicht als Allwissender. Sie lernen, unter Echtbedingungen zu experimentieren und sich dabei zu bewähren. Das macht mutig, entspannt Sie für weitere Ausnahmesituationen – und verbreitet beim Meeting bessere Laune. Nutzen Sie Verhandlungen, um den Raum zu öffnen, Interessen zu verbinden und Win-Win Lösungen zu finden, die über den Moment hinauswirken und allen Beteiligten ein gutes Gefühl geben. Damit werden Sie zur wirksamen Führungskraft, die Einflussnahme, Gestaltungswille und gute Ideen auf eine neue Art und Weise durchsetzen kann. So passen Sie und Ihr Unternehmen ins 21. Jahrhundert!
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