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Sitzung der erweiterten Geschäftsleitung, Freitagnachmittag. Da steht er nun, der Sündenbock, als Schuldiger auserkoren und so schwer mit den Misserfolgen des Restrukturierungsprozesses beladen, dass es schon erstaunlich scheint, dass er unter dieser Last bisher noch nicht zusammengebrochen ist. Nervös schaut er in die Runde. Einer der Anwesenden dreht sich zum Nebenmann um und flüstert diesem zu: „Wenn wir den jetzt in die Wüste jagen, sind wir unsere Sorgen los.“ Der Nebenmann ergänzt: „Das wird auch Zeit.“
Sündenbock gesucht und gefunden:
Der bequeme Irrtum vieler Unternehmen
Geschäftsführer Dr. Frank Schneider, Unternehmer des Jahres 2018 und 2019, tritt aus dem Kreis hervor, räuspert sich und sagt: „So Herr Müller. Dann wünsche ich Ihnen im Namen der ganzen Belegschaft alles Gute für Ihre weitere Zukunft. Sie haben das Team durch eine schwierige Zeit geführt. Aber die Neuausrichtung des Betriebes haben wir uns etwas anders vorgestellt als das vorliegende Ergebnis. Ich möchte Sie an dieser Stelle nur bestärken, das Unternehmen zu verlassen.“ Dr. Schneider rafft sein Jackett und den letzten Funken Anstand zusammen, reicht Karl Müller die rechte Hand und weist mit der linken zur Tür. Das war‘s. Bereichsleiter Müller verlässt niedergeschlagen den Raum, und die anwesenden Führungskräfte lächeln zufrieden. Alle außer Herrn Müller sind zufrieden – doch die Probleme bleiben.
So oder so ähnlich sieht heute in vielen Unternehmen die vermeintliche „Lösung“ für eine missglückte Restrukturierung aus. Statt einer sachbezogenen Lösung wurde ein Sündenbock gefunden, wieder einmal. Eine Person wird „entsorgt“, und alles ist wieder in Ordnung? In Zeiten erhöhter Unsicherheit fungiert die Personifizierung von Problemen als vermeintlich einfaches Ventil.
Das Konzept ist so verführerisch einfach. Schon im Alten Testament belegte der Hohepriester an Jom Kippur einen Ziegenbock symbolisch mit allen Sünden des Volkes Israel und jagte diesen in die Wüste: aus den Augen, aus dem Sinn. Kein Wunder, dass dieses Konzept bis heute Schule macht. In neuer Einigkeit kanalisiert die Rest-Gemeinschaft ihre Aggressionen auf eine Person. Komplexes wird simpel – scheinbar.
Sündenbock-Mechanismen in Unternehmen:
Wer ist als Nächster dran?
Wann bietet sich ein Sündenbock an?
Im Business treten Sündenbock-Lösungen typischerweise in folgenden Szenarien auf:
Eigentlich sollten Aufgaben, Kompetenzen & Verantwortung im Gleichgewicht stehen wie bei einem gleichseitigen Dreieck. Verantwortliche müssen über die notwendigen Kompetenzen zur erfolgreichen Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen. Ist dies nicht der Fall, ist es häufig schwierig die gewünschten Ergebnisse zu erzielen und die Personen scheitern. Damit bieten sie sich als Sündenbock an. Auch ganze Bereiche, etwa der Vertrieb in produktionsgeprägten Unternehmen oder die Entwicklung in vertriebsorientierten, dienen nicht selten als Sündenbock
Projektleitern etwa wird schnell vorgeworfen, dass sie nicht genug, nicht richtig oder nicht deutlich genug kommunizieren. Außenseiter im Team, die sogenannten „Exoten“ wie Top Manager von außen, sind willkommene Sündenböcke für eingeschliffene Belegschaften. Doch auch ganze Abteilungen suchen die Schuld gerne bei anderen Abteilungen, wie z.B. die Produktion beim Einkauf wegen schlechter Produktqualität oder hoher Preise – oder beim Vertrieb, weil dieser nicht genug oder zu wenig die „richtigen“ Produkte vertreibt.
Die Kultur eines Unternehmens lässt keine offene Bearbeitung von Problemen oder Fehlentscheidungen zu. Lieber sucht man grundsätzlich nach Schuldigen. Unternehmen mit autoritärer Führungskultur und starker interner Konkurrenz neigen zu solchen Lösungen. Ebenso wenig können Führungskräfte, die sich grundsätzlich schwer im Umgang mit Fehlern tun, eigenen wie fremden, der Sündenbock-Versuchung widerstehen. Angriff durch Schuld-Zuweisung als Verteidigung lautet ihre Devise.
Verheerende Folgen
Die Folgen für den Sündenbock sind häufig vernichtend. Selbst wenn ihn keine Schuld traf, schadet die öffentliche Schuldzuweisung seiner beruflichen Reputation langfristig: ein Image-Schaden. Vor sich selbst und anderen verliert der Betroffene seine Glaubwürdigkeit, die berufliche Weiterentwicklung ist gestoppt, im schlimmsten Fall der Job weg. Ein oftmals irreparabler Karriereschaden. Wer so etwas schon einmal erlebt hat, weiß, wie sehr Stress und Frustration in langfristige Demotivation oder auch Krankheit münden können. Es ist eine psychische Belastung.
Einmal abgesehen davon, dass keine gute Führungskraft solche Folgen für (ehemalige) Mitarbeiter gutheißen kann: Welche Folgen hinterlässt die Vertreibung eines Sündenbocks bei der zurückbleibenden Gemeinschaft denn wirklich? Welches Image hinterlässt der Geschäftsführer bei seinen Mitarbeitern? Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht? Wird nicht jeder Zeuge der Schuldzuweisung insgeheim einen schalen Nachgeschmack hinaustragen, den nagenden Gedanken, dass es auch ihn selbst hätte treffen können? Wird nicht mancher ahnen oder gar wissen, dass der Sündenbock nicht wirklich schuld war- dass der Chef einer Fehleinschätzung aufsitzt und eine Pseudo-Entscheidung trifft? Steht der Chef wirklich noch als starke Führungskraft da?
Vorsicht, Scheinlösung!
Das Verjagen eines Sündenbocks, ein paar Monate später vielleicht schon des nächsten, hat in den meisten Fällen rein gar nichts an den objektiv bestehenden Problemen im Unternehmen geändert, allenfalls eine Verschnaufpause geschaffen. Doch entbindet die Scheinlösung Führungskräfte nicht von der Aufgabe, die zugrunde liegenden Probleme wirklich zu lösen, das heißt in den meisten Fällen sachbezogen. Langfristig denkende Führungskräfte sollten der verführerischen Scheinlösung „Sündenbock“ besser gar nicht auf den Leim gehen.
Vorsorge treffen
Damit es erst gar nicht zu scheinbar nur noch durch einen Sündenbock lösbaren Sackgassen-Situationen kommt, behalten Sie als Führungskraft folgende typische Entwicklungen im Auge:
Achten Sie auf die ausgewogene Verteilung von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenz und stellen Sie den Fluss notwendiger Informationen immer wieder sicher. Behalten Sie im Auge, ob Verantwortliche mit den für ihre Aufgabe notwendigen Ressourcen an IT, Kommunikation und Mitarbeitern ausgestattet sind. Entscheidungen und Verantwortlichkeiten sollten dokumentiert werden. Wie, in welcher Form und an welchen Signalen Sie Alarm schlagen sollten- das verrät Ihnen ein spezieller Führungs-Workshop bei der Beratergruppe Palatina.
Erkennen Sie Alarmzeichen einer „Schuld-Dynamik“ im Unternehmen rechtzeitig und führen Sie Gespräche mit Vorgesetzten oder ausgewählten Kollegen, um (eventuell auch gewollten) Missverständnissen vorzubeugen. Wir können Ihnen bei ersten Alarmzeichen auch rechtzeitige Ausstiegsszenarien zeigen.
Als Projektleiter können Sie für eine regelmäßige „Entlastung“ der Protagonisten im Projektfortschritt sorgen. Etablieren Sie konstruktive Spielregeln für den Umgang mit Widersprüchen zwischen den Funktionen. Klare Vereinbarungen, regelmäßige Kommunikation und die Etablierung gemeinsamer Anforderungen beugen dem Szenario eines plötzlichen „Knalls“ vor.
Wie wehren Sie sich, um nicht selbst zum Sündenbock zu werden?
Fühlen Sie sich selbst immer mehr als „auserkorener“ Sündenbock? Lassen Sie sich auf die Angriffe und Zuschreibungen mit Bedacht ein, positionieren Sie sich klar und führen Sie möglichst viele Fakten zu Ihrem wahren Wirken an. Lassen Sie sich nicht emotional in die Ecke drängen. Häufig ist es erst die „emotionale Betroffenheit“, die die Sündenbock-Funktion zementiert. Der Sündenbock akzeptiert damit indirekt seine ihm zugewiesene Rolle.
Gerade, um sich emotional zu entlasten, ist es sehr hilfreich, sich neutrale Unterstützung zu holen. Dies können ausgewählte Kollegen sein, Freunde oder ein externer Sparringspartner/ Coach. Wichtig ist es, in einer solchen Situation den notwendigen emotionalen Abstand zu erlangen. Denn emotionales, unbedachtes Handeln verstärkt ironischerweise gerade nach außen die Sündenbock-Rolle und führt in eine Abwärtsspirale gegenseitiger Schuldzuweisungen. Aus einer solchen ist ein Entkommen ohne Schaden nicht mehr möglich.
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