Es kommen manchmal Gedanken auf in dieser Dreiviertelstunde, die er sich nun zwei, drei Mal die Woche nimmt. Am Ende seines Gangs rücken die Sorgen ein wenig weiter weg. Er geht, schlendert die Arme, lässt los. In seinem Bauch lebt und arbeitet etwas weiter, ganz ohne sein Zutun. Er gibt ihm Raum, bis es reif ist. Vielleicht ein neuer Gesprächsansatz mit
IT-Leiter Berger? Oder etwas, an das er noch gar nicht gedacht hat.
Vor einem halben Jahr hätte Arno gestaunt, wenn jemand das „Meditation“ genannt hätte. Es hat nichts mit dem unbequemen Schneidersitz und den Verrenkungen zu tun, die seine Frau Lena allmorgendlich praktiziert. Selbstfindungs-Gedöns, dachte er immer. Da liegt ihm schon eher ein Auffrischen seines alten Karatetrainings, da bekommt man konzentrierte Schlagkraft gleich mit. Die Samurai faszinieren ihn, Mönche und Krieger zugleich. Dann erklärte ihm Takashi, sein Geschäftsfreund: „Ohne Meditation findest du nie zu deiner optimalen Schlagkraft!“ Takashi nimmt sich jeden Morgen kurz Zeit für eine Tagesmeditation. Nur zehn Minuten. „Atmen ist alles. Der Atem führt dich“, rät er. Doch morgens findet Arno nie Ruhe dazu. Also fing er mit dem meditativen Gehen am Abend an, dann, wenn er am Schreibtisch eh nicht mehr weiterkommt, wenn keiner mehr ans Telefon geht oder wenn er dankbar dem Autobahnstau entronnen ist. Das erdet ihn. Er atmet ruhig, klinkt sich in die Natur ein, nun von nichts mehr getrieben. Er spürt wieder Kraft im Bauch. Bauch und Hirn, wieder verbunden durch seinen zuversichtlichen Herzschlag. Bewegung, Unterwegs-Sein, das hält ihn fit. Nachher, wenn er heimkommt, will er noch kurz eine Idee festhalten, für morgen.